Ryf-Seiler-Haus Hauptstrasse 2

Gegenüber des Bauernhofes der Familie Martin Häring wohnte die Familie Ryf-Seiler. Um 1850 wurde die Liegenschaft an der Hauptstrasse 2 erbaut, im Brandlagerbuch ist als erster Bewohner ein Herr Degen aufgeführt. Anfangs des 20. Jahrhunderts bezogen Albert (geb. 1878) und Marie Philomena Ryf-Seiler (geb. 1883), Tochter des August Seiler-Bannier, das Haus am Postplatz. Sie heirateten am 09. Juni 1908, aus der Ehe entstammten 6 Kinder: Albert (1909), Paul (1911), Marie (1913), Alice (1914), Klara (1915) und Josef (1917). Albert Ryf-Seiler arbeite als Kondukteur bei der Birsigtalbahn. Als der jüngste Sohn Josef erst 7 Jahre alt war, verstarb der Vater während Arbeiten entlang der Bahnstrecke in Bättwil. Er stürzte von einer Leiter und fiel unglücklich auf einen Pfosten. Die Zeitung „Der Sonntag“ berichtete in seiner Ausgabe vom 18. Mai 1924 vom tragischen Tod des Familienvaters: „Durch ein jähes Unglück verlor die Familie im vergangenen Februar ihren treubesorgten Vater und Ernährer, Kondukteur bei der Birsigthalbahn. Durch sein heiteres Wesen und seine stete Hilfsbereitschaft war er in weiten Volkskreisen wohlbekannt und beliebt und als gesinnungstreuer Katholik hochgeachtet“.

Familie Ryf-Seiler (A Ry)

Die Familie Ryf-Seiler mit ihren Nachbarn Familie Martin Häring, Hauptstrasse 2. Im angebauten Taglöhnerhaus rechts wohnte Jermann Jules, der Betreiber der Velos Motos Centrale (A Ry)

Mit einer geringen Versicherungssumme, die Marie nach dem Tod ihres Ehemannes zugute kam, konnte sie die Familie kaum ernähren. So verkaufte die sechsfache Mutter Landreserven im Gebiet Rebgarten und an der Hohestrasse zu einem Preis von 50 Rappen der Quadratmeter, ein Verkaufswert, der im Lichte der Weltwirtschaftskrise als kaum überbietbar schien.

Das Haus von Marie Ryf-Seiler war Wand an Wand mit den Häusern der Lettengasse 1 und 3 verbunden. Hier wohnten Lina Wehrlin-Gürtler und Rosa Erismann-Sütterlin. Hinter der Häuserzeile am Postplatz befanden sich nur Gärten und Wiesen, der Sonnenweg war ein kleiner Saumpfad und die nächsten Gebäude standen erst an der Schmiedengasse.

Anfangs der dreissiger Jahre des 20. Jahrhunderts baute Marie Ryf-Seiler das Wohnhaus um. Der Keller blieb unverändert, im Erdgeschoss wurde gegenüber der Küche ein Zimmer angebaut, ebenso darüber im zweiten Stock. Ausgeführt wurden die Maurerarbeiten vom Baugeschäft Theophil Seiler, die Holzarbeiten verrichtete die „Schreinerei & Zimmerei Degen“.

Die herangewachsenen Kinder von Marie Ryf-Seiler wohnten in der Umgebung von Oberwil und kamen jeden Sonntag mit dem Fahrrad zurück zu „Mutti“, wo man sich im gemütlichen Gartenhäuschen traf. Hier wurde über Gott und die Welt diskutiert und in fröhlicher Runde das eine und andere Bier getrunken. Waren die Flaschen leer, so mussten die Kinder neues Bier holen, mit dem Posthörnli und der Krone gab es genügend Wirtschaften in unmittelbarer Nähe.

Ryf-Seiler-Haus an der Hauptstrasse 2 (A Ry)

Albert Ryf-Bricker, der zusammen mit seiner Ehefrau Lina und den beiden Kindern Hedi (1943) und Paul (1944) im Mehrgenerationenhaus wohnten, war noch anfangs der 50er Jahre der festen Überzeugung, dass es wohl eher möglich sein wird, auf den Mond zu fliegen, als dass mehr als ein Auto pro Stunde am Haus an der Hauptstrasse vorbei fahren werde. Wegen des hohen Verkehrsaufkommens und dem Wunsch nach einem eigenen Heim, baute Albert Ryf-Bricker am Sonnenweg 8 eine neue Bleibe. Die Liegenschaft an der Hauptstrasse 2 wurde 1964 abgerissen und 1969 mit einem Wohnblock überbaut. Und übrigens: Im Jahr 2015 fuhren täglich 21000 Motorfahrzeuge durch Oberwils Hauptstrasse.

 

Hauptstrasse 2 im Jahre 2012 (Ry)

Die Umgestaltung der Hauptstrasse im Jahre 2008 schenkte dem Dorfzentrum einen kleinen Grünstreifen entlang der Konsumstrasse zurück. Blick auf die Liegenschaft Hauptstrasse 2, der Giebel des Hauses rechts des Wohnblocks ist auch auf dem alten Bild zu erkennen.